Baselworld* wird nach der 2020 Ausgabe höchstwahrscheinlich nicht mehr existieren…. ausser die Ausstellung ändert ihr Konzept radikal. Seit der letzten Ausgabe im März dieses Jahres haben sich die Kommentare über ein baldiges Ende von Baselworld angehäuft und es vergeht keine Woche mehr ohne dass ein Aussteller seinen Rücktritt für die nächste Ausgabe ankündigt. Ich nehme den Austritt von Maurice Lacroix und De Grisogono diese Woche – keine Schwergewichte der Uhren Industrie im Vergleich zur Swatch Group, die ihren Weggang schon vor Monaten angekündigt hat - zum Anlass um über ein interessantes « case study » zu schreiben. Auf diesem Karussell – das sich immer schneller dreht - von Kündigungen muss man allerdings zwei Kategorien von Ausstellern unterscheiden: • Die Marken, die sich aus strategischen Gründen entschieden haben nicht mehr an einem kostspieligen Anlass teilzunehmen, dessen wirtschaftlicher Nutzen immer fragwürdiger geworden ist. Der wichtigste Exponent ist natürlich die Swatch Group, der bis anhin der grösste Aussteller war. • Dann die Marken, die mehr aus Opportunismus und/oder aus der Notwendigkeit ihr Marketing Budget um einen wichtigen Posten zu reduzieren. In dieser Kategorie kann man Marken wie Corum oder Maurice Lacroix einreihen. Gemeinsam haben die zwei Gruppen, dass sie eine gemeinsame Rethorik benuzten, die darin besteht – nota bene nach 30 Jahren Präsenz an dieser Messe – dass sie kein Interesse mehr haben, Millionen bzw. Dutzende von Millionen von CHF für einen Anlass aufzuwenden dessen Format mehr dem 19. als dem 21. Jahrhundert entspricht ! Der grosse Konkurrent SIHH** – Salon International de la Haute Horlogerie – aus Genf ist momentan nicht in besserer Verfassung, da in den letzten Wochen zwei namhafte Aussteller angekündigt haben, dass sie die Messe nach der 2019 Ausgabe verlassen werden. Diese zwei Marken – Audemars Piguet und Richard Mille – werden von zwei der pragmatischten CEO’s der Uhren Industrie geleitet, die erkannnt haben, dass sie andersweitig diese Summen investieren könnten (Audemars’s Piguet Budget liegt ungefähr bei CHF 10 Millionen, das von Richard Mille bei fünf Millionen). Das SIHH hat noch den Vorteil, dass es ein viel elitärerer Anlass ist im Vergleich zu Baselworld, mit nur 35 Marken im Vergleich mit Baselworld und seinen 650 Ausstellern (es waren noch über 1’500 vor ein paar Jahren !). Aber anstatt nur Fakten aufzuzählen und die Liste der Marken zu machen, die sich entschieden seit der letzten Ausgabe diese Messen zu verlassen, möchte ich versuchen die Ursachen für diesen einzigartigen Niedergang eine Business Models zu erforschen. Wie konnte man das Huhn mit den goldenen Eiern schlachten ? Erfolg bringt im besten Fall meistens Selbstvertrauen, aber meistens auch Arroganz mit sich. Nachdem Messe Schweiz – die Betreiberin von Baselworld – ein sehr erfolgreiches Geschäftsmodell aufgebaut hatte und sich 2006 entschieden hat richtig Gas zu geben mit dem Bau einer neuen Halle ging der Realitätsbezug oder die Bodenhaftung verloren. Oder wie man kann sonst erklären, dass gewisse Leute immer noch glauben, dass sich eine Uhren- oder Schmuckmarke mit einem Umsatz von weniger als CHF 5 Millionen sich einen Stand, inklusive aller Nebenkosten, jedes Jahr für über eine Million leisten kann ? Eine Regel besagt, dass im Marketing von Luxusgütern das Budget bis 20% des Umsatzes ausmachen kann. Wenn man nun vom Postulat ausgeht, dass Baselworld oder das SIHH für eine Nischen Marke die wichtigste Marketing Aktivität ist und demzufolge diese die Hälfte des jährliche Aufwands machen, dann ist man erst bei CHF 500'000…. Als die neue Halle 1 2013 eingeweiht wurde, spazierte ich eines Abends alleine im 1. Stock, dort wo eben die Luxus B Liga untergebracht war und wo man die Tarife um mindestens 20% hochgeschraubt hatte und das Minimum an Standfläche verdoppelt hatte. Ich war einerseits von diesem ganzen Glitzer natürlich schwer beeindruckt, aber ich kam dann zum Schluss, dass einige Marken Ihre Präsenz nicht wirtschaftlichen Kriterien untergeordnet hatten. Die Messe Organisation war ab 2013 mehrheitlich damit beschäftigt ihre Investitionen zu rentabilisieren und das return on investment war dann für die börsenkotierte MCH mehr als befriedigend… im Gegensatz zu den Ausstellern. Es ist wie wenn man vergessen hätte, dass letzten Endes die Besucher eigentlich im Mittelpunkt stehen sollten. Es fing damit an, dass sich die Messe Leitung nie viel für die Uhren oder Schmuck Industrie interessiert hat. Im Parterre der Halle 1 war es noch einfach mit Rolex, Patek Philippe und der Swatch Group, aber nachher wurde es schon kompliziert zu verstehen, dass auch Nischenmarken segmentiert präsentiert werden müssen. Es ist wie wenn man am Auto Salon in Genf, Porsche neben Opel ausstellen würde. Beide haben ein Zielpublikum und eine Daseinsberichtigung. Aber im Gegensatz zur Auto Industrie wo der Durschnittsbesucher versteht, dass eine Marke exklusive sportliche Wagen anbietet und die andere Alltagsfahrzeuge, gibt es in der Uhren und Schmuck Industrie erstens viel mehr Marken und vor allem solche die beim breiten Publikum über keinen grösseren Bekannheitsgrad verfügen (brand awareness). Alles war nicht so schlecht an der Baselworld auch vor dem Bau der neuen Halle, denn 2009 hatte ein – im Uhren Milieu – bekannter und respektierter Journalist, Grégory Pons, die Idee eine neue Halle für die kleinen, unbekannten Marken zu kreieren. Das Konzept nannte sich dann “The Watch Factory” und präsentierte die “kleinen”, die die Kreativität in der Uhren Industrie zurück gebracht haben. Aber anstatt diese Strategie konsequent fortzuführen, hat man sich entschieden die Formel “mehr Quadratmeter = mehr Geld” zu forcieren https://businessmontres.com/article/un-retour-vers-la-watch-factory-ou-tout-commence-aux-lisieres-de-baselworld-mbandf-cabestan-haldimann-urwerk-speakemarin-debethune-mct-alainsilberstein. Kann man noch den Soldaten Baselworld retten ? In seiner aktuellen Form und Formel, sicherlich nicht. Die neue Leitung von Baselworld, die erst seit ein paar Monaten das Ruder eines sinkenden Schiffes übernommen hat, muss jetzt sehr schnell ein neues Konzept auf den Tisch bringen. Das gleiche gilt für alle Fachmessen, denn die Auto Salons in Paris oder Genf haben auch mit dem Weggang von namhaften Ausstellern zu kämpfen. Sonst werden die Messe Hallen auf der ganzen Welt bald zu desakralisierten Kirchen werden ! Ich schreibe hier nur über die Situation der Uhren Industrie, aber die Situation für die Unterhaltungselektronik oder die Auto Branche ist genau die gleiche. Vorbei sind die Zeiten als man mit der ganzen Familie auf die Messe ging um die neueste Stereo Anlage oder den neuesten VW zu bewundern. Der Auto Salon in Paris wird von einigen namhaften Ausstellern nicht mehr berücksichtigt, weil sie keinen Sinn darin sehen soviel Geld für eine Messe aufzuwenden, die nicht mehr denselben Stellenwert hat wie vor zehn Jahren. Was die Organisatoren der Baselworld und des SIHH jetzt tun müssen – und zwar sehr schnell ! – ist von einem B2B Konzept auf B2C umzusatteln. Die Distribution in der Uhren Industrie steht vor einem disruptiven und irreversiblen Schritt in Richtung digital und demzufolge « direct to consumer » ! Wieso ein Zirkus Zelt aufstellen für ein Business Model, das in maximal 5 Jahren nicht mehr existieren wird ? Man muss dem Besucher, dem Endkunden (ja, der die Uhren letztendlich kaufen wird !) ein Erlebnis bieten und nicht einen Spaziergang durch Hallen wo man nicht mal – mit sehr wenigen Ausnahmen – einen Stand betreten darf. Es ist schwer nachvollziehbar, dass in einem Zeitalter wo alle über “experiential retail” reden, dass nur Hublot oder Louis Moinet (eine Nischen Marke) eine Attraktion für den Endkunden bieten. Ausstellungen im Format 4.0
Ich bin fest davon überzeugt, dass Produkt Präsentationen der Zukunft ein Format haben werden, das interaktiv sein wird. Ist ein Multi-Marken happening wie Baselworld noch von Nutzen ? Ich denke nicht. Apple oder Tesla machen es vor, wie man eine Show für eine einzige Marke und ihre Produkte Neuheiten macht. Da ist man sicher, dass sich die ganze Welt auf dieses eine Event konzentriert. Dann kann man regional kleinere Events durchführen wo man näher am Konsumenten ist, der ja – trotz digital – die Uhr auch mal sehen und anfassen will. Aber die goldene Regel ist, dass jede Marke nur das tun sollte was ihrer Grösse, Ambitionen und (finanziellen) Mitteln entspricht ! *Baselworld ist die weltweit grösste Uhren- und Schmuckmesse und existiert seit 1917. Von 150’000 Besuchern 2015 kamen zur diesjährigen Ausgabe nur noch 105’000. Von über 1’500 Ausstellern 2015 kamen dieses Jahr noch 650. Der Anlass ist offiziell dem Publikum geöffnet, aber die Tageskarte für CHF 60 limitiert das Publikum stark auf Profis der Branche (Detaillisten, Journalisten, usw.). ** Das SIHH – für Salon International de la Haute Horlogerie – wurde 1991 von der Vendôme Gruppe (heute Richemont) gegründet. Der Kern der Ausstellung besteht immer noch aus den Marken der Gruppe Richemont und den historischen Partnern wie Audemars Piguet oder Parmigiani. Es sind total 35 Aussteller die ca. 20'000 Besucher während vier Tagen empfangen mit einem Tag für das Publikum. Oliver R. Müller, Founder, LuxeConsult
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AuthorOliver R. Müller is a longstanding observer of, and consultant for, the watch industry with his own opinions about certain industry behaviour. The content here is never on specific products or brands and you will not find product reviews! Archives
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